Verfassungsgericht kassiert Grundsteuer in Deutschland – was steckt dahinter?
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.2018 erklärt – wie bereits von Experten erwartet – die Erhebung der Grundsteuer in Deutschland für verfassungswidrig. Dabei geht es nicht um die Besteuerung von Grundvermögen an sich, sondern vielmehr um die derzeit angewandte Methode.
Datengrundlage aus 1964
Wer als stolzer Eigentümer eines Einfamilienhäuschens neueren Baujahres bereits einmal einen Ankreuzfragebogen zur Grundsteuererhebung bekommen hat, wird sich schon gewundert haben, welche Ausstattungsstandards dort vorgesehen sind. Man fühlt sich in die Wirtschaftswunderzeit zurückversetzt – und weiß gar nicht so recht wo man denn sein Kreuzchen machen soll. Da fällt eine heute völlig normale Türsprechanlage schon unter „aufwändige elektrische Ausstattung“.
Woran liegt das? Die Grundsteuer wird derzeit auf der Basis von Einheitswerten bemessen, welche die allgemeinen Wertverhältnisse zum 1.1.1964, in den neuen Bundesländern gar zum 1.1.1935, widerspiegeln. Das Bundesverfassungsgericht stuft diese Regelungen zur Einheitsbewertung als verfassungswidrig ein.
Dabei ging der Gesetzgeber anno 1935 mit guten Absichten in die Entwicklung dieses Verfahrens. Die Besteuerung von Grundbesitz sollte sich an dessen tatsächlichem Marktwert (Verkehrswert bzw. gemeiner Wert) orientieren. Wer die Honorare von Sachverständigen kennt, dem wird allerdings sofort einleuchten dass man unmöglich für jedes steuerpflichtige Grundstück in Deutschland regelmäßig Verkehrswertgutachten anfertigen lassen kann. Es sollte mittels eines vereinfachten, standardisierten Verfahrens ein steuerlicher Einheitswert ermittelt werden, der dem Verkehrswert möglichst nahe kommt. Hierzu wurden erstmals 1935 die Wertverhältnisse in einem komplizierten Verfahren ermittelt. Diese „Hauptfeststellung“ sollte, um die Zahlen aktuell zu halten, alle 6 Jahre wiederholt werden. Daraus wurde wegen des 2. Weltkrieges und dessen folgen erstmal nichts. Die erste (und letzte) Anpassung erfolgte 1964 in der BRD, in der DDR erfolgte sie gar nicht.
Morgen ist auch noch ein Tag
Dann kamen die 68er, die RAF, das rebellische Jungvolk, NATO Doppelbeschluß, kalter Krieg, Wiedervereinigung etc. etc. – immer genug wichtigere Themen um die nächste Hauptfeststellung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Dieses Festhalten des Gesetzgebers an den Werten von anno dazumal führt nach Anicht der Verfassungsrichter zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen. Der eigentliche Knackpunkt ist dabei nicht die offensichtliche Auseinanderentwicklung zwischen Verkehrswert und festgestelltem Einheitswert. Die eigentliche Ungleichbehandlung sei vielmehr durch die unzulässige Verlängerung des Hauptfeststellungszeitraums von ursprünglich sechs auf – bis dato – locker mal 54 Jahren. Daran ändere auch das Argument, man habe durch die Unterlassung einen besonderen Verwaltungsaufwand vermieden, nichts.
Was nun?
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, bis zum 31.12.2019 eine verfassungskonforme Neuregelung zu finden und diese bis spätestens 31.12.2024 auch zur Anwendung zu bringen. Man hat noch keine gangbare Lösung in der Tasche. Es werden diverse Modelle diskutiert, von denen bei einigen wohl schon klar wäre, dass sie gleich wieder vor Gericht enden.
Dazu gehört auch die Idee einer reinen Bodenwertsteuer ohne Berücksichtigung der aufstehenden Gebäude, wie sie vor allem von Umweltverbänden propagiert wird. Auf Anfrage der Linken erklärte die Bundesregierung im April, dieser Ansatz sei vom Tisch. Jetzt ließ man verlauten, es werde innerhalb der gesetzten Frist eine verfassungskonforme Regelung kommen.
Eine gerechtere Bemessungsgrundlage könnte das von den Bundesländern vorgeschlagene, wesentlich aufwendigere Modell der sogenannten Kostenwerte bringen. Hier wird es aber vermutlich an der zeitlichen und personellen Umsetzbarkeit scheitern. Die Finanzverwaltung bezifferte die Zeit, die zur Einwertung der ca. 35 Millionen Grundstücke benötigt würde, auf etwa 7 Jahre – in Anbetracht der vom Verfassungsgericht gesetzten Fristen und der voraussichtlichen Kosten ein Ding der Unmöglichkeit.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurde weiterhin die Einführung einer sogenannten „Grundsteuer C“ vereinbart. Dabei sollen bebaubare, aber nicht beabaute Grundstücke gesondert höher besteuert werden. Grundstückseigentümer, die Ihre Grundstücke nicht bebauen, weil Sie auf eine weitere Wertsteigerung hoffen, sollen damit bestraft werden. Auf diese Weise soll die Bautätigkeit im Wohnungsbau gesteigert werden, um mehr neuen Wohnraum zu schaffen. Ob sich die Parteien dabei im klaren waren, dass eine solche Steuer in den 60er Jahren mit dem gleichen Ziel bereits einmal eingeführt wurde? Nach zwei Jahren schaffte man sie damals wieder ab – mangels Wirkung. Die Einführung steht laut Koalitionsvertrag unter dem Vorbehalt einer verfassungsrechtlichen Prüfung. Daß diese Steuer mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot vereinbar wäre, ist denn auch fraglich. Hier drängt sich bisweilen der Verdacht auf, dass einfach eine schön klingende Maßnahme aufgenommen wurde, von der klar war, dass nichts daraus würde.
Der Immobilienverband Deutschland (IVD) favorisiert das sogenannte Fächenmodell, das in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen entwickelt wurde. Hier wird der zu besteuernde Wert anhand der Grundfläche des Bodens und der Nutzfläche der aufstehenden Gebäude, unterteilt nach Nutzungsarten wie Gewerbe oder Wohnbebauung, ermittelt. „Wir haben uns schon vor Jahren für dieses Modell stark gemacht. Es lässt sich relativ schnell und ohne übermäßigen bürokratischen Aufwand umsetzen. Es ist auch gerecht, weil die Nutzfläche des Gebäudes ein guter Indikator dafür ist, in welchem Umfang die Infrastruktur der Gemeinde durch seine Nutzung in Anspruch genommen wird, und dürfte zu wenig Streit mit dem Finanzamt führen“, so IVD-Präsident Schick in einer Presseerklärung des Verbandes.
Was letztendlich beschlossen wird bleibt abzuwarten. Eine Aussetzung des Grundsteuer wird jedenfalls nicht in Frage kommen. Mit mehr als 14 Milliarden € jährlich ist die Grundsteuer für die Kommunen eine Haupteinnahmequelle.